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Aminet 25
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Aminet 25 (1998)(GTI - Schatztruhe)[!][Jun 1998].iso
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gr.hankelzumutungen
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gr.hankelzumutungen
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1998-04-12
|
30KB
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547 lines
#Titel Grundlagen / Euro / Die Zumutungen des Herrn...
#Logo gadget35:Pinsel/AG.Grundlagen
#Y+16
#Font Losse 16
#C32
DIE ZUMUTUNGEN DES HERRN HANKEL
#Font topaz 8
#C12
Prof. Dr. Nikolaus K.A. Läufer
#C10
Universität Konstanz
#Y+16
#Font Losse 16
#C31
Der "Experte" Hankel
#Font topaz 8
#C21
Dass die Einführung des Euro Ängste auslöst, ist nicht weiter überraschend.
Überraschend ist vielmehr, wie diese Ängste bewältigt werden. Von einem
besonderen Fall zeugt eine neue Veröffentlichung, die vor kurzem unter dem
Titel "Der Kampf um den Euro: Wie riskant ist die Währungsunion?" erschienen
ist. (Hg. Hans-Ulrich Jörges, Hoffmann und Campe). Darin schreibt Wilhelm
Hankel unter dem Titel "Europa wird am Euro scheitern": "Die Arbeitnehmer
gehen mit dem Euro schweren Zeiten entgegen. Der Euro bedroht ihren Status
und ihre Zukunft gleich mehrfach."
#Seitenende
Wer ist Herr Hankel? Die Autoren-Beschreibung klärt uns auf. Herr Hankel ist
heute Professor für Währungs- und Entwicklungspolitik in Frankfurt. Aufgrund
seiner Tätigkeit im Bundeswirtschaftsministerium, u.a. als Leiter in der
Abteilung Geld und Kredit, zählt sich Herr Hankel zu den wichtigsten
Mitarbeitern Karl Schillers. Später war er ein Jahr lang Präsident der
Hessischen Landesbank. Herr Hankel ist, nach seiner Biographie zu schliessen,
offensichtlich ein Experte.
Wir werden im folgenden der Frage nachgehen, wie Herr Hankel als Experte
über den Euro denkt. Herr Hankel liebt Einseitigkeiten, die man wohlwollend
und verschleiernd auch Asymmetrien nennen kann. Ich gebe gleich eine noch
harmlose Kostprobe. Dass Frankreich einen eigenen Kandidaten für die Position
des Chefs der Europäischen Zentralbank vorgeschlagen hat, nennt Herr Hankel
"Frankreichs Griff nach der obersten Gewalt in der EZB" (S. 142). Gleichzeitig
wehrt sich Herr Hankel (S. 143) dagegen, dass man von "Währungshegemonie" durch
die Deutsche Bundesbank oder gar von einem "DM-Imperialismus" spricht. Dies
wäre nach Herrn Hankel nicht nur sachlich falsch, sondern auch uneuropäisch,
weil antideutsch.
Merke: Kritik an der Deutschen Bundesbank ist antideutsch und daher
uneuropäisch. Kritik an Frankreich ist proeuropäisch.
Herr Hankel pflegt als Experte eine militärische Perspektive. Die Einführung
des Euro führt nach ihm zu einem Zwei-Fronten-Krieg. Kriegführend ist die EZB.
Im Inneren der EWU liegt die Heimatfront. Alle Welt rechnet nach Herrn Hankel
damit, dass es dort früher oder später "krachen" wird. Für Herrn Hankel ist
der Euro aber auch von aussen bedroht (S. 142). Die Bedrohung von aussen
besteht nach Herrn Hankel darin, dass der Euro eine neue, geschichts- und
traditionslose Währung ist, die sich ihre Anerkennung durch die Märkte erst
noch erwerben muss. Herr Hankel übersieht, dass es nicht zu den Vertragszielen
von Maastricht gehört, den Euro zu einer internationalen Währung zu machen.
#Seitenende
#Font Losse 16
#C31
Mehr Arbeitslosigkeit durch den Euro
#Font topaz 8
#C21
Um dieses (vertraglich gar nicht festgelegte) Ziel der EZB an der Aussenfront
zu erreichen, müsse die EZB die Zinsen attraktiv (sprich höher als sonst)
gestalten. In einem solchen Verhalten der Zentralbank sieht Herr Hankel eine
"Provokation" zu der es aber gar nicht kommen wird. Denn wahrscheinlicher ist,
nach Herrn Hankel, dass die EZB gar keinen Krieg führen wird, sondern den Euro
zu einer weichen, schlappen Währung verkommen lässt, der Exporte und der
Arbeitsplätze wegen.
Inflationäre Geldpolitik ist für Herrn Hankel beschäftigungsfreundlich. Wenn
die Geldpolitik sich aber am Beschäftigungsziel orientiert und nicht an der
Preisstabilität, warum soll das dann schlecht sein für die Arbeitnehmer?
Merke: Die Arbeitnehmer leben nicht von ihrem Einkommen, sondern von
Preisstabilität. Das nennt man Stabilitätskultur.
Der Euro werde weich, so fürchtet Herr Hankel. Er erhöhe die inneren Preis-,
Kosten- und Zinserhöhungsspielräume. Der Euro "nimmt somit an inneren
Realeikommenszuwächsen weg, was er einer Handvoll exportorientierter
Welt-Unternehmen als Bonus (oder Exportsubvention) gewährt. Die Wenigen
gewinnen, die Vielen verlieren."
Das sind von Herrn Hankel drei Zumutungen auf einmal: 1. Der Export liegt in
einer Handvoll Unternehmen. (Das soll für ganz Europa gelten, ungeachtet der
Tatsache, dass beispielsweise in Deutschland (z.B. Baden-Württemberg), aber
auch in Italien (z.B. Lombardei) mittelständische Unternehmen für den Export
überaus wichtig sind.) 2. Wirtschaften ist nach Herrn Hankel ein
Nullsummenspiel. (Was der eine gewinnt, verliert der andere). Die Ökonomen
behaupten jedoch mit guten Gründen etwas anderes. 3. Wenn die Beschäftigung
steigt, weil die Exportindustrie expandiert, dann sinken nach Herrn Hankel die
realen Einkommen der Arbeitnehmer. Warum das so sei, sagt er nicht und kann er
auch nicht sagen.
Die EZB stehe vor einem Dilemma, d.h., sie muss nach Herrn Hankel wählen
zwischen einem stabilen Euro mit Weltgeltung einerseits und einem instabilen
und damit beschäftigungsfreundlichen Euro andererseits (S. 144). Die Statuten
der EZB erlauben aber eine solche Wahl gar nicht. Die Statuten legen das Ziel
der Preisstabilität fest und sonst gar nichts. Von Weltgeltung ist nirgendwo
die Rede.
Zugegeben die EZB ist auch angehalten, die Beschäftigungs- und Wachstumsziele
der Gemeinschaft zu verfolgen, aber nur soweit es mit dem Ziel der
Preisstabilität vereinbar ist. Eine solche Priorität des Ziels der
Preisstabilität hat es nicht einmal in der BRD beim Stabilitätsgesetz
gegeben, durch welches auch die Deutsche Bundesbank auf die Ziele
Preistabilität, Wachstum, Vollbeschäftigung und Zahlungsbilanzausgleich
festgelegt wurde.
Wie immer aber sich die EZB in diesem angeblichen Dilemma auch entscheide, der
Effekt sei, so Herr Hankel, letzlich derselbe. Es komme so oder so zu höheren
Geld- und Realzinsen (S. 145) und damit zu Beschäftigungsrückgängen. Ich frage
mich deshalb: Wenn die Effekte die gleichen sind, wo bleibt dann das Dilemma?
Wir wollen gerne wissen, warum es zu höheren Zinsen kommt, obwohl man daran
angeblich nichts ändern kann.
#Seitenende
#Font Losse 16
#C31
Zinserhöhungen durch den Euro
#Font topaz 8
Der Fisher-Effekt wird vernachlässigt
#C21
Nach Herrn Hankel wird es bei einem harten Euro einen politisch gewollten
Zinsruck nach oben geben. (Die Euro-Zentralbanker schnallen die Gürtel
enger und drehen den Geldhahn zu.) Das bedeutet, die Stabilität des Euro wird
über geldpolitische Setzung höherer Zinsen erreicht. Aber bleiben die
Markt-Zinsen dann wirklich hoch bzw. oben, wenn ein harter Euro bedeutet, dass
eine niedrige Inflationsrate gewählt wird? Herr Hankel meint offensichtlich
ja, denn er spricht von Zinserhöhung und nicht davon, dass die Zinssätze
eventuell nur vorübergehend ansteigen werden.
(Dabei vernachlässigt Herr Hankel den sog. Fisher-Effekt und zeigt, dass er als
Ökonom nicht auf der Höhe der Zeit ist. Der Leser möge berücksichtigen, dass
folgende Überlegung zum Standard der heutigen Ökonomik gehört. Die erwartete
Infaltionsrate wird von den Wirtschaftssubjekten dem realen Zinssatz
zugeschlagen und führt dementsprechend zu höheren nominellen Zinsforderungen,
die der Markt honorieren muss, wenn er den Finanz-Investoren das Geld aus der
Tasche locken will. Wenn die Zentralbank zu einer kontraktiven Geldpolitik
übergeht, welche die Inflationsrate senkt, dann kommt es anfangs zu einer
Erhöhung des nominellen Zinssatzes, die sich aber später wieder zurückbildet,
weil der Rückgang der tatsächlichen Inflation auch zu einem Rückgang der
erwarteten Inflationsrate und damit der nominellen Zinssätze führt. Mit anderen
Worten, wenn die Finanz-Investoren sehen, dass es die Zentralbank mit der
Reduktion der Inflationsrate ernst meint, dann werden sie ihre nominellen
Zinsforderungen zurückschrauben.)
Andererseits werde, so Herr Hankel, bei einem weichen und
beschäftigungsfreundlichen Euro der Zinsanstieg importiert: über Kapitalflucht,
Abwertung, Inflationsbeschleunigung (S. 145).
Zunächst einmal können wir festhalten, dass man nicht importieren kann, was im
Ausland gar nicht existiert. Woher soll aber der Zinsanstieg im
aussereuropäischen Ausland kommen, der angeblich importiert wird? Will Herr
Hankel uns sagen, dass der weiche Euro mit niedrigen Zinssätzen im europäischen
Inland zu einem Anstieg des Zinssatzes im Ausland führt, der dann importiert
werden könnte?
#C31
Asymmetrien und Einseitigkeiten als dubioses Prinzip
#C21
Damit sind wir bei der ersten gravierenden Einseitigkeit von Herrn Hankel
angelangt. Wenn, wie Herr Hankel meint, beim schwachen Euro mit geldpolitisch
niedrigen Zinssätzen, hohe Zinssätze aus dem (aussereuropäischen) Ausland
importiert werden, warum werden dann nicht bei stabilem Euro mit geldpolitisch
hohen Zinssätzen auch niedrige Zinssätze aus dem (aussereuropäischen) Ausland
importiert?
Um zu erläutern, was wir unter Symmetrie (Abwesenheit von Einseitigkeit)
verstehen, verwenden wir folgendes Beispiel aus der Physik des täglichen
Lebens. Wenn wir die Temperatur erhöhen, dann dehnt sich ein Metallgehäuse
aus. Wenn wir die Temperatur senken, dann schrumpft ein Metallgehäuse. Hier
herrscht Symmetrie. In einer Welt, die dem Denken von Herrn Hankel
entspricht, herrscht Asymmetrie. Wenn die Temperatur steigt, dann dehnt sich
das Metallgehäuse aus, wenn die Temperatur abnimmt, bleibt das Gehäuse
unverändert.
Herr Hankel würde jetzt sicher sagen, dass in der Ökonomik nicht gelten muss,
was in der Physik als gültig angenommen wird. Das wäre aber kein
ernstzunehmender Einwand. Denn auch die Ökonomen gehen in der Regel von
solchen Symmetrien aus, es sei denn sie haben einen besonderen Grund für das
Gegenteil. Einen solchen Grund müsste Herr Hankel nennen. Er würde ihn aber
im vorliegenden Fall gar nicht nennen können.
Jenseits aller Polemik möge der Leser jedoch beachten, dass die Frage der
Symmetrie oder Asymmetrie von Effekten keine Spitzfindigkeit, sondern ein
konstitutives Element seriöser Wirtschaftswissenschaften ist. Während in den
Wirtschaftswissenschaften die Symmetrie-Annahme das Normale ist, geht Herr
Hankel durchgehend von Asymmetrien aus. Solange Herr Hankel für diese
Abweichung von der Norm keine Begründungen liefert, ist sein Vorgehen
wissenschaftlich unhaltbar. Wie verlaufen die Zinseffekte wirklich?
#C31
Nomineller Zinssatz
#C21
Betrachten wir den durchaus realistischen Fall, dass durch Einführung des Euro
der Zinssatz auf dem Weltmarkt nicht steigen wird. Dann kann es zwar immer
noch zu einem Zinsanstieg im Euro-Gebiet kommen und zwar über eine
Inflationserhöhung. Es macht dann aber keinen rechten Sinn von Zinsimport zu
sprechen. Unter solchen Umständen (im aussereuropäischen Ausland) führt eine
Inflationsbeschleunigung im europäischen Inland zunächst zu einer Reduktion der
realen Verzinsung von bereits emittierten inländischen Wertpapieren, bei deren
Emission man diesen Inflationsanstieg aus Unkenntnis der Zukunft noch nicht in
Rechnung stellen konnte. Die Anleger werden sich von solchen Anlagen zu trennen
versuchen, damit einen Druck auf die Wertapierkurse ausüben und dadurch den
realen Zinssatz (Ertragssatz) dieser Papiere wieder auf die ursprüngliche von
ihnen geforderte Höhe treiben. Neu emittierte Papiere werden von vornherein
eine nominelle Verzinsung bieten müssen, welche gegenüber der bisherigen Rate
um den Anstieg der nominellen Inflationsrate nach oben korrigiert ist. Bei
einem Euro mit einer Inflationsrate, die höher ist als die Inflationsrate vor
seiner Einführung, wird es also zu einem Anstieg des nominellen
Markt-Zinssatzes in Höhe dieser Differenz (Beschleunigung) der Inflationsraten
kommen. Bei einem stabilen Euro, d.h. ohne Anstieg der Inflationsrate, wird
dieser Zinsanstieg jedoch ausbleiben. Für das nominelle Zinsniveau ist es also
nicht egal, ob der Euro stabil ist oder nicht.
#C31
Realer Zinssatz
#C21
Der Leser sollte mit der Definition realer Zinssätze vertraut sein. Der
(erwartete) reale Zinssatz wird von Ökonomen definiert als Differenz zwischen
nominellem Zinssatz und (erwarteter) Inflationsrate.
Herr Hankel verbindet mit dem Begriff des weichen Euro die Vorstellung
niedriger nomineller Zinssätze, solange es nicht zu dem von ihm unsinnigerweise
behaupteten Import höherer Zinssätze gekommen ist. (Diese Vorstellung
sinkender Zinssätze kollidiert jedoch mit dem oben genanten Fisher-Effekt.
Ich lasse das Problem der Nichtbeachtung des Fisher-Effekts im folgenden
zunächst beiseite.) Dann bleiben in den Hankelschen Aussagen noch genügend
Probleme zurück. Ich beginne mit folgender Feststellung. Wenn bei Herrn Hankel
der nominelle Zinssatz fällt, weil der Euro weich ist, und die (erwartete)
Inflationsrate steigt, weil der Euro weich ist, dann muss die Differenz
zwischen beiden, d.h. der reale Zinssatz nach der obigen Definition fallen.
Dass der reale Zinssatz steigen wird, wie es Herr Hankel unter seinen
Annahmen behauptet, ist daher logisch gar nicht möglich. Herr Hankel
widerspricht sich also. Um diesen Widerspruch zu vermeiden, muss er entweder
die Annahme sinkender nomineller Zinsen aufgeben oder sich von der Aussage
trennen, dass der reale Zinssatz steigt.
Würde Herr Hankel sich von der Annahme sinkender nomineller Zinssätze trennen
(in Übereinstimmung mit seiner unsinnigen Hypothese des Imports höherer
nomineller Zinssätze), dann würde die Annahme eines Anstiegs der realen
Zinssätze nicht auf einen logischen Widerspruch hinauslaufen. Er müsste dann
aber immer noch begründen, warum der reale Zinssatz ansteigt.
Für die Behauptung, dass der reale Zinssatz in der EWU steigt, gibt Herr Hankel
selbst keinerlei Begründung.
Eine mögliche Argumentation würde jedoch wie folgt lauten: Der Euro werde nicht
nur die Inflationsrate ansteigen lassen, sondern auch die Instabilität der
Inflationsrate erhöhen. Die Schurken der EZB (das EZB-Direktorium in
französischer Hand) treiben in dieser Sicht nicht nur ein böses Spiel (durch
eine stärker inflationäre Geldpolitik), sie sind auch noch unzuverlässiger.
Sie kündigen nicht nur schlechtere geldpolitische Ziele als die Bundesbank an,
sondern erlauben sich auch noch stärkere Abweichungen nach oben und unten
(Schlampereien) bei der Zielerreichung. (Ein positiver Zusammenhang zwischen
der Höhe der durchschnittlichen Inflationsrate und der Inflationsunsicherheit
(Inflationsvarianz) lässt sich empirisch nachweisen.) Damit würde sich das
Anlegerrisiko vergrößern und dies triebe den realen Zinssatz, in dem auch eine
Risikoprämie steckt, nach oben. Der nominelle Zinssatz würde noch stärker
steigen, weil sowohl die (erwartete) Inflationsrate als auch die Risikoprämie
zunimmt. In dieser empirisch fundierten Sicht werden die Zinsen aus
geldpolitischen Gründen nicht ansteigen, ohne dass die Inflationsrate bei
Einführung des Euros zunimmt.
Würde man statt dessen davon ausgehen, dass die französischen Technokraten
zwar die falschen Ziele (eine höhere Inflationsrate), diese aber doch mit
größerer Präzision als die Bundesbank erreichen wollen und dabei auch Erfolg
haben, dann würde die obige Begründung für einen gleichzeitigen Anstieg des
nominellen und des realen Zinssatzes zusammenbrechen. Die Veränderung der
nominellen und der realen Zinssätze wäre dann nicht mehr gleichgerichtet. Die
Höhe der nominellen Zinnsätze würde wegen des Fisher-Effektes aber noch
immer von der (erwarteten) Inflationsrate abhängen.
Im Gegensatz zu dem, was Herr Hankel aussagt, spielt es also schon eine
entscheidende Rolle, ob der Euro stabil ist oder nicht.
Herr Hankel sieht eine schwierige Wahl zwischen Holzweg und Sackgasse. Ich
sehe die Alternative zwischen logisch korrekter und empirisch relevanter
Argumentation auf der einen Seite und einer Argumentation, die gegen allen
Verstand und ökonomische Vernunft ökonomische Zwänge und Einseitigkeiten
konstruiert.
#Seitenende
#Font Losse 16
#C31
Das Beispiel der Geschichte
#Font topaz 8
#C21
Was sagt die Geschichte der Währungsunionen über die Chancen des Euro? Herr
Hankel ist nicht allein mit der Behauptung, daß Deutschlands Mark, der
Schweizer Franken und der US-Dollar am Ende einer Entwicklung standen, die
Krönung eines oft langwierigen politischen Einigungsprozesses und nicht seinen
Anfang darstellten. Diese Auffassung ist bekannt unter der Bezeichnung
"Krönungstheorie", die zahlreiche Anhänger hat. Die Zahl der Anhänger einer
Behauptung hat natürlich nichts mit deren Richtigkeit zu tun. Dass die
Krönungstheorie nicht zutrifft, zeigt schon das Beispiel der Deutschen
Mark, dem wichtigsten Bezugspunkt der Anhänger dieser Theorie. Die
Deutsche Mark entstand zwar formal nach der Reichsgründung von 1871. Aber die
monetäre Vereinigung Deutschlands im 19. Jahrhundert fand lange vor der
politischen Vereinigung Deutschlands statt. Wie der Historiker Holtfrerich
überzeugend dargelegt hat, ist die andere Interpretation der Ereignisse ein
typisches Beispiel für oberflächliches Lesen der Geschichte, wobei fundamentale
Unterschiede in den Bedingungen und Funktionen hinter scheinbar ähnlichen
Prozessen und Institutionen vernachlässigt werden.
Dass Herr Hankel den Zusammenbruch der Nordischen Währungsunion mit der
Massenarbeitslosigkeit der 31er Jahre begründet, zeigt, dass es noch andere
Beispiele für den von Holtfrerich angeprangerten Missstand gibt.
#Seitenende
#Font Losse 16
#C31
Die Rolle der Fiskalkriterien des
Maastricht-Vertrages
#Font topaz 8
#C21
Wir haben in Deutschland einen Euro gewollt, bei dem die Staatsdefizite keine
Gefahr für die Preisstabilität werden können. Dazu wurden unnötigerweise die
Fiskalkriterien in den Maastrichtvertrag eingeführt. (Dass, wie Herr Tietmeyer
neulich angedeutet hat, die Franzosen die Zahl drei beim Defizit-Kriterium
vorgeschlagen haben, begründet ja noch keine Entlastung der Deutschen von der
Mit-Verantwortung für die Fiskal-Kriterien des Maastricht-Vertrages.)
Weil es in der Vergangenheit regelmäßig Haushaltsdefizite des Staates waren,
welche zu grossen Inflationen geführt haben, glaubte man, die Fiskalkriterien
zur Sicherung der Preisstabilität zu benötigen. Die Meinung der Experten und
Finanz-Fachleute orientiert sich an dieser oberflächlichen Betrachtungsweise.
Bei näherem Hinsehen ist es die besondere Finanzierung der Haushaltsdefizite
durch Zentralbankkredite gewesen, welche die Inflationen verursacht haben. Es
hätte also genügt, die Finanzierung staatlicher Defizite durch die EZB zu
verbieten, wie im Maastricht-Vertrag auch vorgesehen, und auf die Einhaltung
dieses Verbotes durch stabilitätsorientierte Regierungen, Parlamente, Druck
der öffentlichen Meinung und Gerichte zu pochen. Deutsche Gründlichkeit wollte
mehr. Staatliche Defizite sollten auch begrenzt werden. Durch den
Stabilitätspakt sollten ausserdem über Sanktionen Anreize für die Einhaltung
der Defizit-Grenzen geschaffen werden. Mir ist nicht bekannt, dass Herr Hankel
ein Gegner der Fiskalkriterien des Maastricht-Vertrages und des Waigelschen
Stabilitätspaktes ist. Gleichwohl bedauert er es wie ein Keynesianer, dass
durch die Einführung des Euros für eine aktive Konjunktur- und
Beschäftigungspolitik auf der nationalen Ebene die dafür notwendigen
Instrumente nicht mehr zur Verfügung stehen, und lehnt den Euro auch aus
diesen Gründen ab.
Bei Betrachtung der Diskussion um den Euro, kommt einem notgedrungen irgendwann
der Verdacht, dass da zuerst nach Abschaffung der nationalen Konjunktur- und
Beschäftigungspolitik gerufen wurde, um den Euro angeblich akzeptabel zu
machen, in Wahrheit um ihn zu verhindern. Und nachdem man zwar die Verhinderung
des Euros nicht erreicht, aber die Abschaffung der Instrumente für nationale
Konjunkturpolitik durchgesetzt hat, versucht man diese Folge nun als Argument
gegen die Einführung des Euros auszuschlachten.
#Seitenende
#Font Losse 16
#C31
Der Arbeitsmarkt in der EWU
#Font topaz 8
#C21
Herr Hankel macht sich Sorgen um den Arbeitsmarkt. Der Euro werde den
Arbeitsmarkt europäisieren, sagt Herr Hankel. Dass dies der Euro und nicht die
Europäische Gesetzgebung tut, ist für ihn offensichtlich und klar. Der Euro
mache das über verstärkte Transparenz, größere Mobilität von Arbeit wie Kapital
und wachsenden Beschäftigungsdruck, der so oder so zur Lohnangleichung zwinge.
Die Europäisierung der Arbeitsbedingungen ist für Ihn eine "Amerikanisierung".
Er sieht eine Rückkehr zu Märkten für "menschliche Ware", zu
frühkapitalistischen und vor-sozialstaatlichen Zeiten ohne Mindeststandards
humaner Arbeitsverhältnisse. Da tut es nichts zur Sache und es wird auch
deshalb einfach übergangen, dass die Engländer sich wegen der Sozialcharta aus
der EWU heraushalten wollten. Es wird nach Herrn Hankel die wildeste
Lohnkonkurrenz geben mit verheerenden Auswirkungen auf die Beschäftigung. So
wie der reale Zinssatz steigen wird, egal ob der Euro stabil ist oder nicht,
so wird es zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit kommen, unabhängig davon ob
der Euro stabil ist oder nicht. Ja sogar unabhängig davon ob man "Hochlohnland"
ist oder "Billiglohnland". Die Mechanik der verwilderten Arbeitsmärkte wird
nach Hankel nämlich so funktionieren: In den Hochlohnländern kommt es aufgrund
des Zuzugs aus den Billiglohnländern zu Lohndruck und Entlassungen (S. 150).
Dass es Arbeitslose sind, die aus den Billiglohnländern abwandern, in den
Hochlohnländern Arbeit finden, und dass dadurch die Arbeitslosigkeit in
Billiglohnländern zurückgehen wird, zählt für Herrn Hankel nicht. Er spricht
nicht einmal davon. Für ihn steht fest, dass die Arbeitslosigkeit in den
Billiglohnländern steigt. Hankel meint nämlich: "In den Billiglohnländern muß
man wiederum mit verstärkter Arbeitslosigkeit rechnen, denn die Lohnanpassung
nach oben wird, soweit sie nicht durch reale Produktivitäsgewinne
unternehmerisch verdient werden kann, alte wie neue Investoren
abschrecken" (S. 150).
Während das Lohnniveau in den bisherigen Billiglohnländern steigen wird, wird
es in den Hochlohnländern fallen. Das ist die Angleichung der Lohnniveaus,
die auf verstärkte Transparenz und Mobilität des Faktors Arbeit zurückzuführen
ist. Soweit herrscht Symmetrie in der Hankelschen Argumentation. Die Symmetrie
endet jedoch bei den Folgen dieser Veränderung. Herr Hankel sagt, dass die
Lohnanpassung nach oben in den Billiglohnländern die Investoren abschrecke.
Wenn es aber in den Hochlohnländern eine Anpassung der Löhne nach unten gibt,
dann müssten dort aus Symmetriegründen die Investoren angezogen werden, so wie
sie in den Billiglohnländern abgeschreckt werden. Während Herr Hankel den nega-
tiven Effekt in den Billiglohnländern herausstellt, dass dort die Lohnanpassung
nach oben die Investoren abschreckt, übergeht er den entgegengesetzten Effekt
in den Hochlohnländern und kommt so per Saldo zu einer negativen Beurteilung.
Herr Hankel lässt also einen Teil einer vollständigen und nicht einseitigen
Argumentation ganz einfach weg. Herr Hankel müsste diese Einseitigkeit begrün-
den. Er verliert aber zu dem Problem kein Wort.
(Übrigens unterscheidet sich hier Herr Hankel von anderen Gegnern des Euro,
die an unveränderter Arbeitsmoblilität festhalten. Aber das ist nach Herrn
Hankel kein Grund zu Optimismus. Während sich deutsche Urlauber im
europäischen Ausland sauwohl fühlen, werden sie nach Herrn Hankel als
europäische Binnenwanderer immer Fremde bleiben, wo immer sie sich
niederlassen und eher dazu beitragen, noch bestehende Gräben zu vertiefen als
solche zuzuschütten. Europa sei auch in dieser Hinsicht nicht Amerika und
sollte es nach Herrn Hankel auch nicht werden. Nach Herrn Hankel muss man sich
aus dem Weg gehen, um sich wirklich näher zu kommen.)
#Seitenende
#Font Losse 16
#C31
Der Untergang der Beschäftigungspolitik
durch den Euro
#Font topaz 8
#C21
Herr Hankel spricht von Euro-Stagflation. Er sieht voraus, dass der Euro die
Massenarbeitslosigkeit vermehrt. Beschäftigungspolitik sei angesagt. Die
klassische Beschäftigungspolitik früherer Zeiten gehöre mit dem Euro jedoch
endgültig der Vergangenheit an. Als hätte es eine solche Politik nach der
Abwahl der Sozialdemokraten in Deutschland noch gegeben. Mit dem Euro wird
sie nach Herrn Hankel jedoch endgültig begraben. Was soll man davon halten?
Herr Hankel stellt auf S. 151 folgende Frage: "Woher soll die von zahlreichen
Linken erhoffte beschäftigungsreundliche EZB-Politik herkommen, wenn diese
sowohl gegen die Stabilitätsgebote von Vertrag und Statut wie gegen die
Marktlage verstößt?" In dieser Frage geht Herr Hankel eindeutig davon aus,
dass die EZB für einen harten Euro sorgen wird und dass deshalb keine
beschäftigungsfreundliche EZB-Politik zu erwarten sein wird. Wie verträgt sich
aber diese Frage von Herrn Hankel mit seiner obigen Annahme, dass die EZB
einen weichen Euro schaffen wird? Hier zeigt sich erneut, dass die
Einseitigkeiten (Asymmetrien) von Herrn Hankel bei ihm auch zu Widersprüchen
führen.
Wenn es um die Zukunft der Beschäftigungspolitik in Europa geht, dann beklagt
Herr Hankel ihren Untergang und begründet diesen damit, dass die EZB sich an
Vertrag und Statuten halten wird, und dass daher eine beschäftigungsfreundliche
Politik der EZB nicht zustandekommen wird.
Wenn es dagegen um die Beurteilung der Preisstabilität des künftigen Euro geht,
dann glaubt Herr Hankel an die Verletzung von Vertrag und Statuten durch die
EZB. Dies wird mit der beschäftigungspolitischen Orientierung der EZB
begründet.
Wenn Herr Hankel ernst genommen werden will, dann darf er sich nicht in solche
Widersprüche verfangen. Zugegeben, es ist nicht immer leicht, Widersprüche zu
vermeiden. Aber dieser Widerspruch ist so stark und so offensichtlich, dass
seine Entdeckung keine besonderen Anstrengungen verlangt. Ihn zu entdecken ist
keine Spitzfindigkeit, sondern ein Kinderspiel, so einfach wie die
Unterscheidung von Tag und Nacht. Dieser Widerspruch disqualifiziert Herrn
Hankel ernsthaft.
#Seitenende
#Font Losse 16
#C31
Die Hankelschen Fluchtwege aus dem Euro
#Font topaz 8
#C21
Herr Hankel sieht als Konsequenz seines Widerspruchs wieder eine Zwangslage,
nämlich die Wahl zwischen einer Flucht nach vorne und einer Flucht nach
hinten (S. 152). Flucht nach vorne heisst nach ihm, die Währungsunion nach
französischen Vorstellungen durch eine "Wirtschaftsregierung" zu komplettieren.
Flucht nach hinten heisst bei ihm die Umgehung von Maastricht-Vertrag und
Stabilitätspakt, um nationale Stabilitätspolitik nach alten Mustern zu
betreiben. Beides seien ungangbare Wege. Die Preise der beiden Alternativen
sind nach Herrn Hankel nämlich zu hoch. Die französisch dominierten
Eurobürokraten würden Europa weiter ent-demokratisieren und es zunehmend von
der Weltwirtschaft abkoppeln. Denn die aussenwirtschaftliche Absicherung
solcher Binnenkonjunkturprogramme lege auch eine Einschränkung der
Kapitalverkehrsfreiheiten nahe. Aber auch bei der Flucht nach hinten wäre
der Preis zu hoch. Es käme ja zu einer Inflations- und Abwertungsspirale
bis den Wählern (Sparern) in den Ländern mit Stabilitäskultur der Kragen
platze.
So wie es nach Herrn Hankel für die Zinsen egal ist, ob der Euro stabil wird
oder nicht, so ist es für Herrn Hankel gleichgültig, ob der Fluchtweg nach
vorne oder nach hinten angetreten wird.
#Seitenende
#Font Losse 16
#C31
Zusammenbruch der EWU
#Font topaz 8
#C21
Herr Hankel schert sich nicht um logische Konsistenz und Symmetrie (Vermeidung
von Einseitigkeiten). Er nimmt einfach an, dass die Welt asymmetrisch
(einseitig) funktioniert. Damit setzt er sich in Gegensatz zur ökonomischen
Theorie. Diese geht nicht ohne Begründung von der Symmetrie-Annahme ab.
Begründungen für seine Asymmetrien (Einseitigkeiten) bleibt Herr Hankel
schuldig. Dort wo die Einseitigkeiten sich logisch widersprechen, sind korrekte
Begründungen gar nicht denkbar und daher unmöglich.
Es kümmert Herrn Hankel nicht, wenn die angenommenen Asymmetrien
(Einseitigkeiten) sich logisch widersprechen. Im Gegenteil, sie sind für ihn
der Anknüpfungspunkt für die Prognose eines Zusammenbruchs der EWU. Nach Herrn
Hankel kommt es "früher oder später" zum Ausstieg aus der EWU durch die starken
Partner der EWU. (Ich will jetzt nicht auf der Einsicht herumreiten, dass die
Verwendung der Worte "früher oder später", seine Aussage zur Tautologie macht
und dass sie dadurch ihre Qualität als Prognose verliert.) Vielleicht fühlt
sich Herr Hankel hier mit Karl Marx einig. Dessen Wirtschaftsdynamik basierte
ja ebenfalls auf Widersprüchen. Nur besteht hier ein wichtiger Unterschied.
Marx hatte nicht logische, sondern gesellschaftliche Widersprüche im Blick.
Logische Widersprüche sind Widersprüche im Denken, im Kopf eines einzelnen,
vor denen sich eine Gesellschaft schützen muss. Bei logischen Widersprüchen im
ökonomischen Bereich ist es Aufgabe der professionellen Ökonomen, diesen
Schutz zu liefern.
#Seitenende
#Font Losse 16
#C31
Zusammenfassung
#Font topaz 8
#C21
Wenn ich die Aufgabe hätte, die Argumentation von Herrn Hankel zu würdigen,
dann würde ich ihm eine besondere Fähigkeit in der Erzeugung logischer
Widersprüche bescheinigen. Das wäre aber eine entscheidende Feststellung aus
folgendem Grund.
Nach den Gesetzen der Logik ist aus Widersprüchen jede Schlussfolgerung
ableitbar. D.h. nach den Gesetzen der Logik ist mit den Widersprüchen von Herrn
Hankel auch eine den Euro befürwortende Position vereinbar. Man kann aus den
Argumentationen von Herrn Hankel sowohl ableiten, dass man den Euro akzeptieren
soll, als auch ableiten, dass man ihn ablehnen soll. Im Klartext: Die Relevanz
der Argumentation von Herrn Hankel für die Beurteilung des Euro ist gleich
null.
#C12
Weitere Beiträge des Verfassers zum Euro finden sich auf seiner HOMEPAGE:
#C10
http://www.uni-konstanz.de/FuF/wiwi/laufer
#Seitenende
#Y+90
#C31
© 1998 by Nikolaus K.A. Läufer
#C10
e-Mail: Nikolaus.Laufer@uni-konstanz.de